June 9, 2022
5. Tag: Von Horgau nach Blumenthal
Am Morgen in der Frühe regnet es. Vielleicht hat der Heilige Petrus sich daran erinnert, dass ich zu meiner kleinen Schwester (heute ist sie 79) nicht immer nett gewesen bin. So schlimm kann es aber nicht gewesen sein. Als ich nach dem Frühstück gesattelt habe und losziehe, hört es auf zu regnen.
Horgau ist klein, ich komme schnell in das einsame Land, wo kleine Landstraßen und hervorragende Radwege das Radfahren zu einem besonderen Vergnügen werden lassen. Es ist zwar weiterhin bedrohlich stark bewölkt, aber die Vögel zwitschern, die Holunderbüsche blühen und duften, es geht mir gut.
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In Augsburg angekommen überrascht mich vor dem Rathaus ein hölzernes Irgendetwas, was das Rathaus halb verdeckt, und diesen schönen Platz nicht gerade vorteilhaft verändert. Was soll das?!
Nun, ich lese im Internet nach, dass dieses Werk der "Fuggerei NEXT500 Pavillon" sei, erbaut für die Festveranstaltung anlässlich des 500-jährigen Bestehens der Fuggerei. Die Fuggerei ist eine alte Sozialeinrichtung, die ich anschließend besuchen möchte.
Diese Holzgebilde vor dem Rathaus wurde nach Plänen des "Architekturbüro MVRDV" erbaut. Ja, wie die Zeiten sich ändern! Früher hießen die Architekten Filippo Brunelleschi, Andrea Palladio, oder Frank Lloyd Wright, Le Corbusier... Heute MVRDV. Vielleicht wollte keiner seinen Name für so etwas hergeben.
Aber genug das Lästern. Die Fuggerei ist eine großartige Einrichtung, und die will ich jetzt besuchen.
Jacob Fugger, einer der mächtigsten europäischen Handelsherren des 16. Jahrhunderts wollte auch für sein Seelenheil etwas tun, und so stiftete er im Jahre 1521 eine Wohnsiedlung für Augsburger Tagelöhner und Handwerker, die ohne eigenes Verschulden in Not geraten sind. Sie mussten katholisch sein und sich verpflichten, täglich drei Gebete - Vaterunser, Ave Maria und Glaubensbekenntnis - für die Familie des Stifters zu beten.
Diese Einrichtung, die Fuggerei, besteht fast unverändert heute noch, und damit ist sie die älteste, heute noch existierende Sozialeinrichtung der Welt. Es sind 140 Wohnungen. Die Bewerber, Frauen und Männer, müssen Augsburger Bürger, katholisch und bedürftig sein. Der Pflicht zum Gebet für die Fugger-Familie besteht nach wie vor. Die Jahresmiete für eine Wohnung beträgt 88 Cent, in Worten achtundachtzig Cent! Das war der Wochenlohn eines Handwerkers im Jahr 1521, und diese Miete wurde nie erhöht.
Nur wenig entfernt von Augsburg komme ich nach Friedberg, wo eine der schönsten Rokoko-Bauten von Bayern steht, die Wallfahrtskirche "Unseres Herrn Ruhe".
Die restlichen Kilometer bis Blumenthal, wo meine Reise endet, führen durch friedliche Wälder und bäuerliche Landschaft.
Nach einer kurzen Kaffeepause fahren wir mit dem Auto nach Hause.
Zuhause angekommen ziehe ich mich um, trinke ich ein Kaffee und setze mich kurz hin zum Schreibtisch um zu überlegen, wie es weitergeht, und falle augenblicklich in einen abgrundtief Schlaf. In den ganzen Tagen vorher bin ich nie besonders müde gewesen. Offensichtlich wird man dann besonders müde, wenn nichts ansteht, wenn man es sich leisten kann müde zu sein.
Today's ride: 48 km (30 miles)
Total: 233 km (145 miles)
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2 years ago
Happy to know you are on good terms with St. Peter!
As Rachel said the story of the Fuggerei is fascinating.
2 years ago